Leder, Leim und kaputte Galoschen.

Bloggerfreund Jules van der Ley TRITHEMIUS hat, selbst angeregt durch einen Beitrag von Manfred Voita mit dem Titel NASE VOLL, die wunderbare Idee eines Erzählprojekts  DIE LÄDEN MEINER KINDHEIT  auf seinem Blog gestartet. Es geht um Kindheitserinnerungen an alte Geschäfte mit ihren Waren, die es heute längst nicht mehr gibt, an Gerüche, die lebenslang starke Erinnerungsträger bleiben, an die Scheibe Fleischwurst beim Metzger, an Margarine-, oder Haferflocken-Sammelbildchen…
Ich bin in den 50er Jahren in Buer-Erle aufgewachsen, einem kleinen grauen Stadtteil Gelsenkirchens, der geprägt war vom Bergbau. Mit einfachen Menschen rund um die Zeche Graf Bismarck: Bergleute, Schrebergärtner, Taubenzüchter, Kumpel…
Hier die dritte Erinnerung an „Die Läden meiner Kindheit“
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Leder, Leim und kaputte Galoschen.

In einem Hinterhof des Hauses Cranger Straße 279 in Gelsenkirchen-Erle hatte ein alter Schuster seine Werkstatt eingerichtet, die man nur durch eine Hofeinahrt neben der Gaststätte „Erler Hof“ erreichte.

Zum Vergrößern bitte anklicken.

Noch heute zu finden: alter Hinweis zur
Schuhmacherei an der Giebelwand

Hier roch es herrlich nach Leder, Leim und Schuhputzmitteln. Ich liebte diese Düfte.
Schon allein wegen des Geruchs ging ich gern dorthin.
Der Schuster war umgeben von einfachsten Holzregalen, in denen die Schuhpaare standen, die noch zu reparieren waren, oder die neu besohlt auf ihre Abholung warteten.
Verstreut auf dem Fußboden, auf dem Tresen und in den Regalen lagen außerdem allerlei Werkzeuge, Lederreste, Nadeln, Garne, Gummistücke. Und mittendrin saß der alte Schuster mit seiner Lederschürze und ich sehe ihn noch vor mir, wie er gerade dabei ist, einen Absatz an einen Schuh anzunageln, den er zwischen seinen Knien fest eingeklemmt hält.
Dieses Bild und die Düfte sind mir unvergessen geblieben…

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Über Lo

Wer im Schatten des Förderturms der Gelsenkirchener Kohlenzeche Graf Bismarck aufgewachsen ist – zu einer Zeit, als man tatsächlich noch vom “schwatten Kohlenpott” sprechen konnte, weil damals “Wäsche auffe Leine” nicht lange weiß blieb, wer sommerliche Badefreuden nicht am blauen Meer, sondern am Ufer des Rhein-Herne-Kanals – der so genannten “Frikadellen-Riviera” – genoss und sich als Kind über “Hasenbrot” freute, was in Wirklichkeit nichts anderes war, als die wieder mit nach Hause gebrachten Stullen, die vom Vater als Bergmann unter Tage nicht aufgegessen wurden, wer schon als kleiner Knirps ganz stolz für 50 Pfennige Belohnung 20 Zentner regelmäßig vor dem Haus angelieferte “schwatte” Deputatkohle in den Keller schippte, der hatte eine vielleicht arme, aber trotzdem abenteuerliche und schöne Kindheit zur Zeit der Pettycoats und des Wirtschaftswunders. Meine Wurzeln sind der Kohlenpott und seine Menschen mit ihrem besonderen, grund”ährlichen” Charme... Gezz weisse ´n bissken Bescheid, oder?
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8 Antworten zu Leder, Leim und kaputte Galoschen.

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  2. Jules van der Ley schreibt:

    Wie es beim Schuhmacher roch, habe ich noch in der Nase, und wie du den Schuhmacher beschreibst, sehe ich ihn vor mir. Bei uns im Ort gab es zeitweise zwei. Der zweite war aus dem Osten zugewandert und hatte noch einen Schuhladen vor seiner Werkstatt. Er war unfassbar unzuverlässig und hielt nie die Termine ein. Es gab in seiner Werkstatt auch keine Regale wie bei deinem, sondern die Schuhe lagen auf einem Haufen, worin er immer suchen musste, um dann festzustellen, dass er just diese Schuhe noch gar nicht repariert hatte.
    Danke für diesen jetzt schon 3. Text zum Erzählprojekt, lieber Lo.

    Gefällt 2 Personen

  3. Willi schreibt:

    Hm. Ich rieche es auch. Bis vor ein paar Jahren gab es bei uns auch noch einen Schuster, ein uralter Mann in einem alten Haus mit klitzekleiner Werkstatt und mit niedrigen Decken.

    Gefällt 1 Person

  4. Lakritze schreibt:

    Schuster riechen wunderbar, finde ich. Als Kind wollte ich zeitweise Schusterin werden, weil meine Mutter immer so schöne Geschichten von ihrem Onkel, dem Schuhmacher, erzählte; schade, daß ich’s nicht geworden bin.

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