Piacere malignio beim Lieblingsitaliener.

Allora!
Ich betrete das wunderhübsch dekorierte Lokal unseres Lieblings-Italieners, ein appetitlicher Duft mit einem begleitendem Hauch von Espresso strömt mir entgegen. Gut besucht.
Ein längerer Tisch neben uns ist überwiegend von Krawattenträgern und Bürokostümdamen besetzt.
Aha! Ein Firmenessen also. Vielleicht gibt es ein erreichtes Umsatzziel zu feiern oder es müssen noch Spesen verbraten werden, wegen der Steuer. Man versteht.

Die sich zunächst gesittet gebende Bürotruppe  hat mittlerweile gut  gegessen, Rotweingläser sind reichlich geleert, die Stimmung ist lockerer und die Lacher werden lauter.
Ein weingeröteter Sachbearbeitertyp mit schütterem Haar und gelbblau gestreiftem Schlips brilliert stets bei Erscheinen des Kellners mit seinen Itaienisch-Kenntnissen: „Si! Per me, per favore! Grazie!“
Er versucht, dem italienischen Kellner eine Freude zu machen:
das Essen sei einfach nur „benissimo“ und überhaupt: „Sono qui per imparar italiano“, – nicht, ohne darauf zu achten, dass die weinselige graumausige Sachbearbeiterin mit den mittlerweile geröteten Bäckchen neben ihm das auch schön mitbekommt.
Vielleicht möchte er, dass sie ihn für seinen weltmännischen Umgang mit dem Italiano etwas bewundert. Und sie guckt ihn auch schon ganz lieb dafür an.

PIACERE MALIGNIO

Irgenwann später zahlt die Truppe und verläßt den Tisch.

Ich bekomme mit, wie der international sprachgewandte gelbblau gestreifte Schlips, den Mantel schon in der Hand, die Graumausige ganz dicht neben sich, den Kellner fragt:
„Und aus welcher Ecke Italiens kommen Sie her?“
„Aus Nord-Nord-Italien.“
„Nord-Nord-Italien?? Ah, interessant! Und von wo dort genau?“
„Na ja: ehrlich gesagt, aussem Sauerland, südlich von Schmallenberg.
Da bin ich geboren. Ich bin kein Italiener.“

Irgendwie habe ich das Gefühl, die Bewunderung der Graumausigen für den Gelbblaugestreiften hat in diesem Augenblick etwas Schaden genommen.
Ich fühle mich wunderbar und lächle leise in mich hinein.
Schadenfreude? Aber nein!
Oder doch?
Si! Un poco!

😉

Über Lo

Wer im Schatten des Förderturms der Gelsenkirchener Kohlenzeche Graf Bismarck aufgewachsen ist – zu einer Zeit, als man tatsächlich noch vom “schwatten Kohlenpott” sprechen konnte, weil damals “Wäsche auffe Leine” nicht lange weiß blieb, wer sommerliche Badefreuden nicht am blauen Meer, sondern am Ufer des Rhein-Herne-Kanals – der so genannten “Frikadellen-Riviera” – genoss und sich als Kind über “Hasenbrot” freute, was in Wirklichkeit nichts anderes war, als die wieder mit nach Hause gebrachten Stullen, die vom Vater als Bergmann unter Tage nicht aufgegessen wurden, wer schon als kleiner Knirps ganz stolz für 50 Pfennige Belohnung 20 Zentner regelmäßig vor dem Haus angelieferte “schwatte” Deputatkohle in den Keller schippte, der hatte eine vielleicht arme, aber trotzdem abenteuerliche und schöne Kindheit zur Zeit der Pettycoats und des Wirtschaftswunders. Meine Wurzeln sind der Kohlenpott und seine Menschen mit ihrem besonderen, grund”ährlichen” Charme... Gezz weisse ´n bissken Bescheid, oder?
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9 Antworten zu Piacere malignio beim Lieblingsitaliener.

  1. Mallybeau Mauswohn schreibt:

    Bon giorno, lieber Lo!
    Beim Italiener gehts wohl immer etwas amüsant zu, wie mir scheint. 🙂 Wenn ich da nur an unseren Hiebetürenitaliener Kevin-Bianca denke, das ist selbstverständlich mein Lieblingsitaliener. Allerdings vermisst man bei Kevin-Bianca natürlich eine solch gepflegte Konversation wie in Ihrem Restaurant. Aber man kann ja nicht alles haben. Ich bestelle mir jetzt eine Izza Argeritha.
    Ciao
    Mallybeau M.

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  2. Manfred Voita schreibt:

    Das hat man davon, wenn man sich mit dem Personal einlässt. Einfach von oben herab, Trinkgeld auf den Tisch, ist doch immer noch am besten.

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  3. Jules van der Ley schreibt:

    Eine wunderbare Szene hast du da übermittelt. Bei mir hatte schon das Fremdschämen bei „Si! Per me, per favore! Grazie!“ angefangen. Kompliment auch an den Italiener aus Nord-Nord-Italien.

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    • Lo schreibt:

      Danke für´s Lob, lieber Jules.
      Ihn – den Kellner gibt es wirklich – er ist ein absolut pfiffiger und schlagfertiger Zeitgenosse. Ich habe ihm diese kleine Geschichte in Form eines klein aufgelegten Bandes (mit anderen Geschichtchen darin -leider alle weg….) geschenkt und sie sogar einmal in der Rauchbar des Oberhausener Theaters vortragen dürfen.

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  4. Herr Ösi schreibt:

    Schöner Beitrag.
    Das Problem der heutigen Zeit ist, das fast keiner der ist, der er vorgibt zu sein.
    Die Kellner machen auf Italiener, die Gelbblaugestreiften auf Chef und die Graumausigen auf Blondine.
    Wie soll das alles enden? 🙂

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  5. noemix schreibt:

    Amüsante Szene ; )
    (Ich war auch mal mit Kollegen zum Pizzaessen beim Italiener, und ein Wichtigtuer ließ den Italophonen raushängen indem er dem Kellner seine Bestellung aus der Speisekarte vorlas: »Io prendo una pizza capricciosa, ma senza olivi«, aber der Kellner zeigte unbeeindruckt auf die Speisekarte und fragte bloß: »Welche Nummer?« – »Nummer 15, ohne Oliven«, sagte Kollege Wichtig kleinlaut.)

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