Guck mal! Anthropomorphismus.

Punkt. Punkt. Komma. Strich. Fertig ist das Mondgesicht.  So kennen wir es schon aus unserer Kinderzeit: sobald wir nur zwei Punkte, Knöppe, Löcher oder Krümel nebeneinander sehen, macht unser Gehirn daraus ein Augenpaar. Und findet sich darunter noch etwas Waagerechtes, ein Strich, eine Öffnung, so bastelt unser Gripskasten uns daraus ein komplettes Gesicht mit Augen und Mund. Zack! Fertig.

Wir können uns gar nicht dagegen wehren: wir übertragen automatisch menschliche Eigenschaften auf Gegenstände. Auf Bäume mit Astlöchern, Maschinen, Autos. Und es gibt einen Namen für dieses Phänomen:  Anthropomorphismus.

Als kleiner Ruhrgebietsknirps aus dem vorigen Jahrhundert mochte ich das Goggomobil besonders gern, weil dieses Auto so klein war und ein ganz liebes Gesicht hatte. Und der Messerschmidt-Kabinenroller wirkte mit seinen aufgesetzten Scheinwerfern auf mich wie ein Frosch auf Rädern. Der OPEL-Blitz, ein Kastenwagen, hatte dagegen so einen unfreundlichen, eher verzweifelt wirkenden Gesichtsausdruck. Vielleicht, weil er immer die schwatte Deputatkohle für die Bergleute transportieren musste. Den mochte ich nicht. Eben,weil der so guckte.

Und  – das meine ich völlig frei von Despekt – erinnern die müde guckenden „Augen“ des ersten Renault Twingo nicht sehr an den Gesichtsausdruck unserer Kanzlerin?  („Kumma, die guckt, wie n´ Twingo beim Tanken!“)  Die Autoindustrie gestaltet die „Gesichter“ ihrer Fahrzeuge ganz bewusst mit dem Ziel, beim Käufer Emotionen zu wecken.

Entweder habe ich eine Macke – und mich holt irgendwann einmal der Gummiwagen mit ´ner strammen Jacke ab – oder es ist das ewige Kind in mir: ich sehe Gesichter. Fast überall. Und ich hab Spässken, wie man hier sagt.

Manche sind so toll, dass sie festhaltenswert sind, wie diese selbstgeschossenen hier:

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Schön?

Bissi Tage!  –  Man „sieht“ sich!


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Über Lo

Wer im Schatten des Förderturms der Gelsenkirchener Kohlenzeche Graf Bismarck aufgewachsen ist – zu einer Zeit, als man tatsächlich noch vom “schwatten Kohlenpott” sprechen konnte, weil damals “Wäsche auffe Leine” nicht lange weiß blieb, wer sommerliche Badefreuden nicht am blauen Meer, sondern am Ufer des Rhein-Herne-Kanals – der so genannten “Frikadellen-Riviera” – genoss und sich als Kind über “Hasenbrot” freute, was in Wirklichkeit nichts anderes war, als die wieder mit nach Hause gebrachten Stullen, die vom Vater als Bergmann unter Tage nicht aufgegessen wurden, wer schon als kleiner Knirps ganz stolz für 50 Pfennige Belohnung 20 Zentner regelmäßig vor dem Haus angelieferte “schwatte” Deputatkohle in den Keller schippte, der hatte eine vielleicht arme, aber trotzdem abenteuerliche und schöne Kindheit zur Zeit der Pettycoats und des Wirtschaftswunders. Meine Wurzeln sind der Kohlenpott und seine Menschen mit ihrem besonderen, grund”ährlichen” Charme... Gezz weisse ´n bissken Bescheid, oder?
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7 Antworten zu Guck mal! Anthropomorphismus.

  1. Heinrich schreibt:

    Lieber Lo,
    was für ein genialer Artikel!
    ENDLICH treffe ich jemanden, der auch Gesichter sieht und liebt. Ich habe auch schon als kleiner Junge im Terrazzofußboden unseres Badezimmers Gesichter gesehen.
    Allerdings habe ich nicht so schöne Fotos wie Sie, werde aber ab sofort darauf achten, Fotos zu sammeln, wenn sie wie Gesichter aussehen. Herrlich!
    Gruß Heinrich

    Gefällt 1 Person

    • Lo schreibt:

      Lieber Heinrich,
      das Netz macht schlau: in meinem SpiegelEi-Blog schreibt mir die Bloggerin Voodooschaf, dass man hierfür die Bezeichnung „Pareidolie“ kennt.
      Ich hab´s mal gegoogelt, und bin sehr beruhigt: wir sind nicht allein 😉
      Gruß Lo

      Gefällt 1 Person

  2. smartphoto78 schreibt:

    Sehe auch überall Gesicher. Sogar an Häuserwänden und in Staubsaugern 🙂
    Schöner Artikel

    Gefällt 1 Person

  3. Pingback: Guck mal! Anthropomorphismus (Teil 3) |

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  5. rainer kühn schreibt:

    Ja, die Autogesichter, auch im flachen Osnabrücker Land: Der Nachbar, Maurer, stieg gleichsam durchs Gesicht in sein „Auto“ ein; BMW Isetta, Er freute sich, den alten Lloyd vertickt zu haben. Der zweite Nachbar fuhr einen VW Variant, weil er auch selber sehr lang war wohl. Und auch der Gogo kam vor, bei meinem Onkel. Zum weinen! Gesichter der frühen sechziger Jahre. Mein Vater wechselte von der BMW 500, als der NSU Prinz als TT eine satte Schleife zur Dorfkneipe brausen konnte. Die Geburt des glorreichen Motorrades Münch TT, weiß ich heute.
    Meine Emotionen auf vier Rädern waren vielfältig, habe acht Autos ohne Gesicht gefahren und aber ein Motorrad, das durch James Bond berühmt bleiben wird. Am schönsten waren aber immer die Frauen! Bis heute!
    Und mein Fahrrad: von der Seite zwei große Augen, und dazwischen das Trethamsterblatt …

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